9 Monaten U-Haft: War Michael Ballweg ein politischer Gefangener?
9 Monaten U-Haft: War Michael Ballweg ein politischer Gefangener?
Michael Ballweg saß 280 Tage in Untersuchungshaft in Stuttgart-Stammheim, kam im April 2023 frei. Dem Querdenken-Gründer, der in der Pandemie Tausende Menschen gegen die Corona-Maßnahmen mobilisierte, wurden Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung im großen Stil vorgeworfen. Ende März 2023 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Landgericht Stuttgart, die nun in großen Teilen abgewiesen wurde.
Und jetzt?
Das Landgericht Stuttgart schlägt am 17.03.2025 eine Einstellung des Betrugsprozesses gegen den Querdenken-Gründer Michael Ballweg vor. Das teilte die Vorsitzende Richterin in Stuttgart mit. Man wolle anregen, das Verfahren gegen den Angeklagten wegen Geringfügigkeit einzustellen.
Und jetzt?
Das Landgericht Stuttgart schlägt am 17.03.2025 eine Einstellung des Betrugsprozesses gegen den Querdenken-Gründer Michael Ballweg vor. Das teilte die Vorsitzende Richterin in Stuttgart mit. Man wolle anregen, das Verfahren gegen den Angeklagten wegen Geringfügigkeit einzustellen.
Nach monatelangem Säbelrasseln der Staatsanwaltschaft soll plötzlich also fast nichts gewesen sein. Kein hinreichender Tatverdacht auf Betrug, kein hinreichender Tatverdacht auf Geldwäsche. Laut Anklage sollte Ballweg 500.000 Euro Spendengelder für eigene Zwecke genutzt und in 9450 Fällen betrogen haben. Alles haltlos, sagt das Landgericht Stuttgart in seinem Beschluss. Lediglich die Steuersache, mehr dazu unten, soll zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden.
Der komplette Wegfall des Kernvorwurfs, Ballweg habe seine Anhänger abgezockt und Hunderttausende Euro in der eigenen Tasche verschwinden lassen, lässt die Anklage in einem neuen Licht erscheinen. War Ballweg am Ende wirklich ein politischer Gefangener, wie seine Unterstützer, Anwälte und er selbst immer wieder erklärt haben?
Wollte man mit Ballwegs U-Haft die Querdenken-Bewegung schwächen?
Fest steht: Für die Staatsanwaltschaft ist die zurückgewiesene Klage nach monatelangen Ermittlungen eine Blamage. Ballweg schreibt auf X: „Schallende Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft.“ Hinsichtlich der U-Haft könne man nun von Freiheitsberaubung sprechen.
Am Tisch festgebunden wie ein Mordverdächtiger
In Stammheim saß Ballweg in einer Einzelzelle ohne Handy und Internet. Zum zweiten Haftverkündungstermin wurde er dem Richter in Handschellen vorgeführt und am Tisch festgebunden wie ein Mordverdächtiger.
Absolut rechtswidrig, sagen seine Verteidiger. Und wiesen während der U-Haft immer wieder auf weitere Missstände im Verfahren hin: Fristen, die nicht eingehalten wurden. Zeugen, die nicht angehört wurden. Akteneinsicht, die nicht gewährt wurde. Befragungen Ballwegs, die mitten im Vortrag abgebrochen wurden.
Michael Ballweg wenige Wochen nach der Entlassung aus der U-Haft.
„Nichts spricht dafür, dass rechtsstaatliche Grundsätze eine Rolle gespielt haben“
Der renommierte Hamburger Rechtsanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel sagt zu NIUS: „Nichts spricht dafür, dass in Sachen Ballweg rechtsstaatliche Grundsätze eine Rolle gespielt haben. Es war ein politisches Verfahren, eine unbequeme Stimme wurde für neun Monate einfach weggeschlossen. Die Frage nach der strafrechtlichen Aufarbeitung mit Blick auf die Ermittler stellt sich jetzt mit großer Dringlichkeit. Die mit bis zu zehn Jahren Haft bedrohte strafbare Verfolgung Unschuldiger ist geradezu greifbar.“
Mitten in der Pandemie: Ballweg mit seinem Rechtsanwalt Ralf Ludwig im April 2021 auf einer Querdenken-Demo in Stuttgart. Beide erhielten von der Polizei einen Platzverweis.
Auch der Hamburger Star-Anwalt Gerd Strate (vertrat unter anderem Carsten Maschmeyer, Monika Weimar, Gustl Mollath) hält es für möglich, dass Ballwegs U-Haft von oben angeordnet wurde. Er sagte zu NIUS: „Politisch motivierte Verfahren hat es in Deutschland schon immer gegeben. Und wird es auch weiterhin geben.“
Verfahren wegen Steuerhinterziehung wird eröffnet
Für Ballwegs Verteidiger ist selbst der verbleibende Vorwurf der vollendeten und versuchten Steuerhinterziehung mehr als fragwürdig. Dem Querdenken-Gründer wird vorgeworfen, er habe mehr als 500.000 Euro Steuern (mehrere Steuerarten) hinterziehen wollen, indem er die Frist zur Abgabe der Steuererklärung verstreichen ließ. Diese lief am 31.08.22 ab, während Ballweg ohne Kontakt nach draußen in U-Haft saß. Nur sechs Tage später begannen laut Ballwegs Verteidiger Ralf Ludwig die Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung.
Im Beschluss des Landgerichts, der NIUS vorliegt, heißt es dazu: „Angesichts des Umstandes, dass sich der Angeklagte währenddessen jedoch in Untersuchungshaft befunden hat, muss – losgelöst von sich stellenden materiell-steuerrechtlichen Fragen – in der Hauptverhandlung überprüft werden, ob und gegebenenfalls in welchem Maße die Inhaftierung den bestreitenden Angeklagten an der Wahrnehmung seiner steuerlichen Pflichten gehindert haben könnte – wobei der Ausgang vollkommen offen ist.“
Mit anderen Worten: Auch dieser Vorwurf der Staatsanwaltschaft steht auf wackeligen Füßen.
UPDATE 17.März 2025
UPDATE 17.März 2025
Neun Monate U-Haft und dann das! Gericht will Ballweg-Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellen
Das Landgericht Stuttgart schlägt eine Einstellung des Betrugsprozesses gegen den Querdenken-Gründer Michael Ballweg vor. Das teilte die Vorsitzende Richterin in Stuttgart mit. Man wolle anregen, das Verfahren gegen den Angeklagten wegen Geringfügigkeit einzustellen. Die Staatsanwaltschaft stimmte dem Vorschlag jedoch nicht zu. Eine Verurteilung sei wahrscheinlich, behaupten die Ankläger.
Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft hatten sich bereits vergangene Woche in nichtöffentlicher Sitzung über den Verfahrensstand ausgetauscht. Ballweg muss sich laut Anklage unter anderem wegen versuchten Betrugs vor Gericht verantworten. Er soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft durch öffentliche Aufrufe von Tausenden Menschen mehr als eine Million Euro für die Organisation eingeworben, die Spender aber über die Verwendung der Gelder getäuscht haben.
Ballweg: „Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wurden pulversiert“
Die Sach- und Rechtslage sei nicht anders zu bewerten als zur Eröffnung des Verfahrens, sagte eine Sprecherin der der Staatsanwaltschaft. Noch seien mehr als 20 Verhandlungstage terminiert, auch die Beweisaufnahme sei noch nicht abgeschlossen. Damit wird der Prozess fortgesetzt.
Die Ankläger werfen Ballweg vor, 575.929,84 Euro für private Zwecke verwendet zu haben. Dokumentiert sind belegbare Ausgaben für die Querdenken-Bewegung in Höhe von 843.111,68 Euro. Ballweg ist nicht wegen Betrugs, sondern nur wegen versuchten Betrugs angeklagt, weil fast allen Spendern gleichgültig war, was mit dem Geld passiert, so die Staatsanwaltschaft. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.
Ballweg zu NIUS: „Das Gericht hat die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft pulverisiert. Von den großen Zahlen sind im Verfahren wegen versuchten Betruges null Euro und im Vorwurf der Steuerhinzerziehung 60 Cent bis maximal 2.000 Euro ungeklärt.“
Michael Ballweg am Montag vor dem Landgericht Stuttgart. Er saß 9 Monate in U-Haft, jetzt will das Gericht das Verfahren gegen ihn einstellen.
Nach Auffassung des Gerichts lässt sich nach der bisherigen Beweisaufnahme Ballweg der Vorwurf des versuchten Betrugs nicht nachweisen. Bei rund 380.000 Euro sei nicht nachweisbar, was mit dem Geld passiert sei, so ein Gerichtssprecher. Von den Vorwürfen der Steuerhinterziehung bliebe womöglich tatsächlich nur ein kleiner Restbetrag übrig, der im Bereich zwischen ein paar Euro und rund 2.000 Euro liege. Bei beiden Delikten sehe das Gericht es als Problem an, den Vorsatz nachzuweisen. Nach Auffassung der Kammer gebe es auch wenig Aussicht, dass sich das noch erhärten lasse.
„Er war von Beginn an unschuldig“
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Ralf Ludwig, Ballwegs enger Vertrauter und Teil seines Anwaltteams sagte NIUS am Montag: „Die Staatsanwaltschaft hat dem Gericht jetzt den Fehdehandschuh hingeworfen. Michael Ballweg war von Beginn an unschuldig. Auch die Fortsetzung des Verfahrens wird kein anderes Ergebnis bringen.“
Ballwegs Anwälte hatten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft immer wieder zurückgewiesen. Der Unternehmer saß wegen der Vorwürfe ab Juni 2022 bereits monatelang in Untersuchungshaft. Immer wieder hatten seine Anhänger vor dem Gefängnis demonstriert. Im April 2023 war er aus der Haft entlassen worden.
Quelle: NIUS
Disclaimer:
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